KARPALTUNNELSYNDROM & GENETIK – ist das Karpaltunnelsyndrom erblich?
Der Karpaltunnel ist die Stelle im menschlichen Körper, in der es den Nerven am häufigsten zu eng wird. Von den sogenannten Engpasssyndromen macht es ganze 90% aus. In der allgemeinen Bevölkerung liegt seine Häufigkeit bei bis zu 5% – es ist somit alles andere als selten. Oft berichten Patientinnen und Patienten beim Erstbesuch, dass jemand oder sogar mehrere Personen in der Familie „eh auch ein Karpaltunnelsyndrom hat/haben“. Was die momentan bekannten Hintergründe dafür sind und ob es ein „Karpaltunnel-Gen“ gibt, darüber würden wir gerne in diesem Beitrag berichten.
Eins vorweg: DAS Karpaltunnel-Gen gibt es nicht. Es gibt aber einige Verdächtige und die betreffen interessanterweise eigentlich nicht den Nerv.
Um den momentanen Stand der Wissenschaft zu erklären, müssen wir kurz den Ursprung des Karpaltunnelsyndroms beleuchten:
Die Engstelle entspricht anatomisch betrachtet einem Tunnel, der unten von mehreren Handwurzelknochen und oben von einem Band (genannt Retinaculum flexorum) gebildet wird. Durch diesen Tunnel ziehen die Sehnen, die die Finger beugen, sowie der Medianusnerv, vom Unterarm in die Hohlhand. Normalerweise ist der Druck im Karpaltunnel relativ niedrig. Bei Patientinnen und Patienten mit einem Karpaltunnelsyndrom steigt er aber um ein Vielfaches an, dem Nerven wird es zu eng, er schwillt an und verursacht die typischen Symptome mit Einschlafen der ersten drei oder vier Finger, vor allem nachts.
Die Druckerhöhung ist also die Ursache. Diese kann einerseits entstehen, wenn man zum Beispiel viel mit den Händen und vibrierenden Maschinen arbeitet oder im Rahmen einer Schwangerschaft, wenn die Flüssigkeitseinlagerung im Körper generell zunimmt. Manchmal bildet sich auch ein Überbein im Karpaltunnel. Andererseits erklärt dies aber nur einen kleinen Teil der Betroffenen.

Für die Patientinnen und Patienten mit Angehörigen mit Karpaltunnelsyndrom ist die momentane Theorie, dass Veränderungen an den Sehnen, die den Nerv durch die Engstelle begleiten, zur Entstehung beitragen. Sehnen bestehen aus Kollagenfasern, einem sehr festen Bindegewebe. Die genetische oder erbliche Komponente scheint daraus zu bestehen, dass eine Genveränderung dazu führt, dass die Belastbarkeit und Elastizität beeinträchtigt werden. Dadurch entstehen Schäden, welche eine Schwellung und somit Druckerhöhung verursachen.
Bisher verdächtige Gene umfassen COL11A1 und COL5A1. Mutationen in diesen enden entweder in einer reduzierten Produktion von Kollagenfasern oder veränderten Zusammensetzung von Kollagen. Weiters könnten Veränderungen in den Genen der sogenannten Metalloproteinasen das Risiko für ein Karpaltunnelsyndrom erhöhen. Diese Enzyme sind im Abbau von Kollagen aktiv, der normalerweise auch ständig passiert.
Das sind spannende und vielleicht auch etwas unerwartete Ansatzpunkte, der erblichen Komponente des Karpaltunnelsyndroms auf die Schliche zu kommen. Insgesamt ist das ein sich entwickelndes Feld, in dem noch viel Forschungsarbeit zu tun sein wird.
Quellen: Zyluk A. The role of genetic factors in carpal tunnel syndrome etiology: a review.Adv Clin Exp Med 2020; 29 (5): 623-8
Omole A et al. An integrated review of carpal tunnel syndrome: new insights to an old problem. Cureus 15 (6): e40145

Priv. Doz. Dr. Doris Lieba-Samal
Spezialistin für die Diagnose und Behandlung des Karpaltunnelsyndroms
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